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Sockenschuss (OKT 18)

im Okt. 2018

Liebe Freundinnen und Freunde des politischen Kabaretts,

es gibt ja Leute, die haben einen Sockenschuss, und es gibt Leute, die haben den Schuss nicht gehört. Seit neustem gibt es jedoch auch Leute, die beides kombinieren. Aber der Reihe nach:

Vor genau 10 Jahren brach die Finanzkrise aus, und komisch war damals, als die Banken öffentliche Gelder abgriffen in einem Ausmaß, so viele Asylbetrüger gibt es auf der ganzen Welt nicht, wie uns die Börsenzocker, also die wirklichen Sozialschmarotzer gekostet haben, als die Finanzkrise also ausbrach, da gab es komischerweise keine spontanen Kundgebungen in Chemnitz oder Köthen. Aber wenn ein dunkelhäutiger Deutscher mit kubanischen Wurzeln, der mit den Linken sympathisiert erstochen wird, versammeln sich Rechte unter einer Karl-Marx-Büste. Da steht man als Satiriker davor und denkt sich: Warum ist mir das nicht eingefallen?

Nicht dass wir uns missverstehen, natürlich ist jede Gewalttat eine zu viel, und zwar ausnahmslos jede, die von und die gegen Fremde. Und wenn Menschen nach Deutschland kommen und Straftaten begehen, bishin zu Kapitalverbrechen, dann ist das nicht hinnehmbar und muss konsequent verfolgt und bestraft werden. Und wenn Menschen in Deutschland geboren sind und Straftaten begehen, bishin zu Kapitalverbrechen, dann auch.

Und wenn man bedenkt, wie viele Menschenleben die Banker mit ihrer Finanzkrise auf dem Gewissen haben dürften, dadurch dass sie kleine Leute in Armut, Not und Verzweiflung getrieben haben, da bekäme nicht nur der Begriff „Kapitalverbrechen“ eine völlig neue Bedeutung, sondern auch eine Demo unter einer Karl-Marx-Büste wirklich einen Sinn. 

Nur, um das mal klar zu kriegen: In den letzten Jahren haben ca 1,8 Millionen Menschen in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Das entspricht ungefähr der Einwohnerzahl Hamburgs. Und in Hamburg wurden letztes Jahr 14 Menschen ermordet, 125 Frauen vergewaltigt, und rund 8000 Gewalttaten verübt. Das Problem: Fast alle diese Täter waren Einheimische. Und wo waren da die besorgten Bürger? Natürlich zu Hause! Warum? Weil es in Hamburg keine Karl-Marx-Büste gibt. 

Aber richtig klasse wurde es letzten Monat vor allem, als dann noch Stimmen laut wurden, die fragten, warum die Protestler in Chemnitz so heftig kritisiert werden, und die im Hambacher Forst nicht.

Und da war ich schwer begeistert. Alleine auch nur auf die Idee zu kommen,

Leute, die ihr eigenes Leben riskieren, weil sie Bäume, also Leben schützen wollen, mit Leuten zu vergleichen, die vor allem das Leben anderer riskieren, da muss man schon einen ziemlichen Sockenschuss nicht gehört haben.

Und wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass die Protestler im Hambacher Forst gegen den Klimawandel arbeiten, also eine der maßgeblichen Fluchtursachen bekämpfen, und die Protestler in Chemnitz vor allem nur die Symptome, also Flüchtlinge, dann fehlt jemanden, der das auf eine Stufe stellt, sogar die ganze Socke, deren Schuss nicht zu hören ist.

Uwe Steinbächer

Danke und Glückauf Butzko,

sprichst mir mal wieder aus der Seele! Das werde ich teilen, ohne große Hoffnung zu haben, dass die Richtigen es oder lesen oder gar kapieren...

Dirk Schultze

Moin, moin, Herr Butzko,
einige von uns leben eben in schweren Zeiten. Neben den chronischen Erkrankungen "Sockenschuß" und der "Schuß-nicht-gehört"-Taubheit gesellt sich dann auch noch das Verlogenheits-Syndrom dazu, was leider bei einer immer größerer Anzahl Versehrter zu akutem AfDer-Jucken führt. Endstadium dieser Krankheítsverläufe, die man zusammengefasst auch als "Den Laden vor die Wand fahren"-Debilität nennen könnte, ist dann das "Von allem nichts gewußt haben"-Paradoxum.
Ich ekel mich schon jetzt.
Trotzdem schöne Grüße
PS.: Hoffentlich kommt die braune Schar jetzt nicht auf die Idee, auch in Hamburg eine Marx-Büste aufzustellen, damit man auch da demonstrieren kann. Zuzutrauen wäre es den Akrobaten schon ;)

Brigitte Selbach

Sehr geehrter Herr Butzko,

mal wieder, oder wie immer, ein toller Kabarettletter.
Ich hoffe, es ist ok, dass ich diese an meine Freunde weiterleite, damit möglichst viele Menschen nachdenken.

Deshalb einmal: "Vielen Dank".

Herzlichen Gruß
Brigitte Selbach