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Gutes Rating ist teuer (SEPT 11)

im Sept. 2011

Eine kurze Abhandlung über Rating-Agenturen! 
oder: Wer wird Millionär? In den letzten Tagen hören wir immer wieder davon, dass eine Rating-Agentur ein Land wie z.B. Griechenland, oder Irland, oder Italien herabgestuft hat. Und da hab ich mir gedacht: Rating-Agentur? Schau mal an, wie viel Einfluss das Management des Kabarettkollegen Arnulf Rating inzwischen doch hat.  Nur, was genau macht eigentlich so eine Rating-Agentur? Nun, eine Rating-Agentur hat die Aufgabe übernommen, bei allem, wo man Geld investieren kann, vorher mal zu überprüfen, wie denn die Chancen stehen, in der Zukunft genau da sein Geld zu vermehren oder zu verlieren. Mit Betonung auf: «in der Zukunft»! Das heißt, im Grunde genommen sind Rating-Agenturen also ganz ähnlich diesen Gruselköppen, die im Fernsehen auf den hinteren Kanälen Nacht für Nacht irgendwelchen Anrufern die Karten legen. Haben Sie das schon einmal gesehen? AstroTV heißt das. Ich fürchte, diese Horrorgestalten sind alle Mitarbeiter der Rating-Agenturen, die sich in ihrer Freizeit etwas dazuverdienen. Und von diesen Rating-Agenturen gibt es übrigens nur drei auf der ganzen Welt. Und die sitzen alle drei in den USA. Und allein, wie die schon heißen, bestätigt das alte lateinische Nomen est Omen. Eine heißt nämlich Standard & Poor's, das heißt auf Deutsch: Norm & Arm. Die zweite Rating-Agentur heißt Moody's, und das heißt übersetzt: launisch. Und die dritte nennt sich Fitch, zu Deutsch: Iltis. Also zusammengefasst: Wenn der Iltis launisch wird, sind wir normalerweise arm. Und genauso bescheuert, wie das klingt, ist auch die Rolle, die diese drei Rating-Agenturen seit einiger Zeit spielen. Denn genau diese drei Rating-Agenturen waren es, die vor einigen Jahren gewisse amerikanische «Immobilien-Subprimekredite» mit AAA-Superspitzeklassetoll bewertet hatten und dadurch die Finanzkrise auslösten. Und das, obwohl sie ganz genau wussten, dass diese Kredite 100 Prozent Schrott sind. Diese Beurteilung war aber weder eine Fehleinschätzung noch ein Missverständnis, sondern denen war vollkommen bewusst, dass sie bezüglich der Ramschkredite nicht die Wahrheit sagten. Zwischenzeitlich ist nämlich eine E-Mail aufgetaucht, in der einer dieser Rating-Agenten einem anderen schrieb: «Hoffentlich sind wir längst in Rente, wenn dieses Kartenhaus zusammenbricht.» Und eine solche Befürchtung so zu formulieren erinnert an die Worte des großen deutschen Philosophen Rudi Assauer, der einmal sagte: «Wenn der Schnee schmilzt, kommt die Kacke zum Vorschein.»  Und man soll es nicht für möglich halten, aber es wurde Frühjahr, der Schnee schmolz, und was da zum Vorschein kam, übertraf alles, was menschliche Phantasie sich vorzustellen bislang überhaupt imstande war.  Man stellte nämlich fest, dass diese Rating-Agenturen nicht nur die Welt in die Katastrophe geritten hatten, sondern sich anschließend auch noch auf das Recht der freien Meinungsäußerung beriefen und ihre Unschuld bekundeten mit der Begründung, sie würden bei einer Bewertung doch lediglich eine Meinung äußern. Und wissen Sie was? Das stimmt sogar. Wenn so eine Rating-Agentur ein bisschen Mist erzählt, wo ist das Problem? Nirgends. Eben. Wenn Nostradamus das darf, warum dann nicht auch eine Rating-Agentur? Ein Problem entsteht nämlich erst in dem Moment, wenn Politiker die Banken per Gesetz dazu verpflichten, ihre Finanzprodukte zuvor von diesen Agenturen überprüfen lassen zu müssen. Genial, oder? Das ist ungefähr so, als würde Ihr Bürgermeister sagen: «Bevor sich jemand bei uns im Ort von irgendjemandem Geld leihen will, muss er zuvor den erwiesenen Haushaltsexperten Butzko um seine Meinung bitten.» Dann würden Sie als Bürger sich doch auch fragen: Wer ist hier eigentlich der Blödere? Der Butzko oder der Bürgermeister? Antwort: Die Bürger, die so was zulassen. Denn die Banken waren nicht so blöd. Die haben sich gesagt: Wenn die Politik uns diesen Rating-Agenturen verpflichtet, dann lass uns doch gleich mit denen verflechten. Diese Rating-Agenturen sind schließlich keine staatlichen Institutionen, sondern unabhängige Privatunternehmen. So unabhängig man nun mal sein kann, wenn man Profit machen will. Und dann haben die Banken die Politiker gefragt: «Wenn diese profitabhängigen Rating-Agenturen unsere Papiere untersuchen müssen, wer soll die dafür bezahlen? Wir? Oder der Steuerzahler?» Und wenn irgendwo auf der Welt ein Politiker die Chance wittert, sich mit Steuereinsparungen beim Wähler einzuschleimen, springt ihm sofort ein kleiner blond gewellter FDP-Jüngling auf die Schulter und quakt ihm ins Ohr. Also einigte man sich nach zähen Verhandlungen und knallharten Abwägungen - also innerhalb von fünf Minuten - darauf, dass die Banken das bezahlen sollen. Und anschließend präsentierten sich alle als Gewinner: die Steuerzahler, die Politiker und die Banken. Aber nur bei Letzteren
war das auch wirklich gerechtfertigt. Denn was kam dabei am Ende heraus? Stellen Sie sich einmal vor, der TÜV in Deutschland wäre nur eines von drei profitorientierten Konkurrenzunternehmen. Und dann wäre da ein Gebrauchtwagenhändler, der für ein ziemlich stark verrostetes Auto eine Fahrgenehmigung haben möchte. Dieser Gebrauchtwagenhändler klappert nun mit seiner Rostkarre alle konkurrierenden TÜVs ab und sagt jedes Mal: «Ich brauche für dieses Fahrzeug ein günstiges Testergebnis.» Und dann wedelt er mit einem Geldschein und fragt: «Wer will den Auftrag?» Nebenbei bemerkt bitte ich Sie, meine lieben Leser, gut darauf zu achten, dass unser derzeitiger Verkehrsminister diese Zeilen nicht zu lesen bekommt. Wenn der davon erfährt, ist er imstande und führt das sofort ein. Aber angesichts dieser Abhängigkeit von Banken und Rating-Agenturen braucht man sich doch also nicht zu wundern, wenn Schrottkredite Bestnoten erhalten. Und jetzt kommt schon wieder ein Hammer: Das alles wäre auch kein Problem. 
Wenn die Banken diese Agenturen bezahlen, was soll's? Dann äußert der erwiesene Haushaltsexperte Butzko eben seine Meinung und wird von Ihnen dafür bezahlt, na und? Genau deswegen halten Sie jetzt dieses Buch in der Hand. Aber unsere Politiker waren noch genialer. Die haben nämlich nicht nur die Banken, also die Verkäufer, verpflichtet, ihre Produkte von Rating-Agenturen überprüfen zu lassen. Sie haben auch die Käufer verpflichtet, auf diese Rating-Agenturen hören zu müssen. Versicherungen zum Beispiel sind per Gesetz verpflichtet, ihr Geld nicht unter AA anzulegen. Und «AA» heißt in der Kleinkindsprache: Wehe, wenn der Schnee schmilzt. Und jetzt stellen Sie sich also mal vor, Ihr Bürgermeister würde sagen: «Nachdem der erwiesene Haushaltsexperte Butzko seine von euch bezahlte Meinung frei geäußert hat, habt ihr euch alle auch danach zu richten.»
Und mal ehrlich, genau das wäre doch jetzt der Moment, wo Sie sich einen Liter Brennspiritus, eine Schachtel Streichhölzer und die Information besorgen würden, wo Ihr Bürgermeister nachts sein Auto parkt. Denn diese Gesetzesvorschriften haben einen wunderbaren Effekt. Wenn nämlich genau diese drei Rating-Agenturen jetzt z. B. bei griechischen Staatsanleihen den Daumen senkten und verkündeten: «Griechenland Kalinix-da!», hat trotzdem die ganze Welt wieder auf sie gehört. Und das, obwohl inzwischen allen bekannt war, dass man diesen drei Rating-Agenturen trauen darf wie einem Doktortitel im deutschen Adelsgeschlecht. Und hastdunichtgesehen verloren sämtliche griechischen Staatsanleihen an Wert. Und warum? Weil unsere Regierung ihnen genau das vorgeschrieben hat, dass sie dann nämlich an Wert zu verlieren haben. Und das Schönste an diesem Kasperletheater ist: wenn sich dann anschließend dieselben Politiker hinstellen und über «diese Verwerfungen an den Kapitalmärkten» klagen und sie mit markigen Begriffen wie «das Monster» belegen - als wären sie bei deren Erschaffung gänzlich unbeteiligt gewesen. Als stünden sie machtlos davor wie David vor dem Drachen und Siegfried vor Goliath. Dabei starren sie angesichts dieser Verwerfungen nur auf den Scherbenhaufen, den sie selber angerichtet haben. Und wer schon mal eine Scherbe betrachtet hat, weiß, dass man darin nicht selten sein eigenes Spiegelbild erblickt. Und da kann ich mir schon vorstellen, dass so mancher unserer Politiker den Begriff «Monster» wohl angebracht findet. 
Dabei bräuchte man eigentlich nur einen Satz ins Gesetzbuch schreiben, so ähnlich wie: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und gleich darunter: Auf die Meinungen von Rating-Agenturen ist genauso zu hören wie auf das Wort zum Sonntag.

Mir ist einmal zu Ohren gekommen, dass diese Rating-Agenturen bei den letzten zehn wichtigen Entscheidungen siebenmal danebengelegen haben sollen. Wenn das zutrifft, hat also nicht mal die Hälfte gestimmt. Das heißt, eigentlich müsste nur im Gesetzbuch stehen: «Wenn eine Rating-Agentur ihre Meinung äußert, muss man unbedingt das Gegenteil machen.» So hätte man immer noch eine höhere Trefferquote. Oder wenn gar nichts mehr hilft, hätte es ja sogar noch eine andere Möglichkeit gegeben. Worum geht es bei einer Rating-Agentur? Um die Frage, ob ich mein Geld irgendwo anlegen soll - ja oder nein? Soll ich ein Investment tätigen - ja oder nein? Es geht also nur um zwei Antwortmöglichkeiten: Ja oder nein. Und wenn es nur um zwei Antwortmöglichkeiten geht, hätte ich eine Lösung anzubieten, die nicht nur viel einfacher gewesen wäre, sondern auch viel genialer und effektiver noch dazu: Und zwar soll es doch in Oberhausen in einem Aquarium gewisse Oktopus-Kraken geben. Ich weiß nicht, ob Sie davon schon einmal gehört haben, aber diese Tiere haben bei zwei Antwortmöglichkeiten nachgewiesenermaßen eine höhere Trefferquote. Am meisten begeistert war ich jedoch, als ich jetzt erfuhr, was die von uns gewählten Volksvertreter als Maßnahme gegen den Einfluss dieser drei weltmächtigen Rating-Agenturen zu unternehmen im Moment sich ausdenken. Ein genialer Masterplan, und der lautet: Wir gründen eine vierte Rating-Agentur. Und zwar eine eigene, das heißt eine europäische, und vor allem eine profitunabhängige. An dieser Stelle möchte ich meine lieben Leser fragen, ob Sie eigentlich das berühmte Comic-Duo Tom und Jerry kennen? Von den beiden gibt es nämlich einen Sketch, bei dem Tom, der Kater, auf der Verfolgungsjagd von Jerry, der Maus, sich versehentlich in einer Mausefalle seine Nase einklemmt, und zwar so, dass der Schmerz unerträglich wird. Was macht Tom in dem Moment? Nun, er nimmt sich einen Riesenhammer und haut sich damit volle Pulle auf die eigene Tatze. Warum macht er das? Das macht er, damit er den Schmerz in der Nase nicht mehr merkt. Genial, oer? So ungefähr wirkt eine vierte Rating-Agentur. Die erste Frage ist also, wo müsste man bei unseren Politikern mit dem Riesenhammer hinhauen, damit sie mal überhaupt was merken? Und die nächste Frage wäre, was sich unsere Politiker wohl dabei denken. Denken die, dass eine europäische Rating-Agentur bei griechischen Staatsanleihen zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre? Dass eine europäische Rating-Agentur verkündet hätte: Griechische Staatsanleihen - da gibt's gratis Metaxa? Wobei "Gratis" nicht der Name des griechischen Finanzministers ist. Der heißt: "Waskostas". Und selbst wenn eine europäische Agentur eine andere Meinung verkündet hätte als die drei anderen Agenturen auf der Welt, wie würden sich Anleger und Investoren dann wohl entscheiden? Wenn Sie schon mal «Wer wird Millionär» mit Günther Jauch gesehen haben, dann kennen Sie doch sicherlich auch den Publikumsjoker. Der Publikumsjoker funktioniert so, dass ein Kandidat bei vier möglichen Antworten anhand von Prozentbalken erkennen kann, wie viele Zuschauer im Publikum zu welcher Antwort tendieren. Haben Sie das schon mal gesehen? Ja? Dann können Sie mir doch auch sicherlich sagen, wie viele Kandidaten da schon einmal die Antwort mit dem kürzesten Balken gewählt haben. Wie bitte? Sie kennen welche! Aha! Und wie viele von denen sind anschließend als Millionär nach Hause gegangen? 
Einer. Okay, aber der hieß Günther Jauch und war kein Kandidat.

Regina Frietsch

Einfach nur genial deine wunderbare schlichte Erklärung scheinbar hochkomplizierten, weltumfassenden Kuddelmuddels! Wünschte ein Herr Steinbrück würde dich lesen und es in seine finanzpolitischen Erläuterungen einfließen lassen und damit Gehör in der Bevölkerung schaffen.
Freu mich auf deinen nächsten Besuch im Badischen - werde da sein!

Liebelt

Die Realität läßt sich nur noch ertragen, wenn man sie aus der Sicht des Kabaretts erklärt bekommt! Vielen Dank für Ihre wunderbaren Kommentare!

Ch. Liebelt