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Frauenfussball (SEPT 23)

im Sept. 2023

Wenn man den Zustand einer Gesellschaft beurteilen will, sollte man sich angucken, wie es mit der Gleichberechtigung der Geschlechter aussieht.

Ist es z. B. nicht lustig, wie durch das Aussprechen von Sprache formuliert wird, wer das Sagen hat? Schon mal gemerkt, dass es nämlich für den Begriff "Herrschaft" kein weibliches Pendant gibt? Damschaft? Weibschaft? Frauschaft? Gibt es alles nicht. Aber den Begriff "Mannschaft" hingegen gibt es wieder. Und den sogar in Kombination mit weiblichen Sportlerinnen. Neulich habe ich echt mal das Wort: "Frauenfußballmannschaft" gelesen. Sprache kann schon herrlich sein. Oder heißt es "herrisch"?

Und neulich sagte mir übrigens auch ein Kumpel in diesem Zusammenhang, dass Bibiana Steinhaus keine schlechte Schiedsrichterin gewesen sei, und zwar deswegen, weil sie „attraktiv und keine verbissene Emanze“ war. „Sapperlot!“, dachte ich, so oberflächlich sollte sich mal eine Frau über Männer im Fußballsport äußern. Und siehe da: Trainerin Imke Wübbenhorst stellte mal klar, dass sie ein Profi ist und ihre Mannschaft nach Schwanzlänge aufstellt. Für die Minderjährigen, die hier mitlesen: Sie meinte damit eine Zopffrisur im Haupthaar von diversen Hipsterkickern.

Frau Wübbenhorst wurde inzwischen Co-Trainerin bei einer Herrenmannschaft, und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis eine Frau als Cheftrainerin eine Männerprofimannschaft übernimmt. Die ganze Welt würde auf den ersten Bundesligaverein schauen, der eine Frau eine Männermannschaft trainieren ließe. Und es gibt mit Sicherheit welche davon, die mehr Fußballsachverstand haben als so mancher männliche Trainer. Mal ehrlich, schlechter als z. B. Hansi Flick hätte auch meine Omma die deutsche Fußballnationalmannschaft nicht trainieren können. Und meine Omma war eine Frau. Sonst wär’s ja mein Oppa gewesen.

Worauf mein Kumpel meinte: „Und vom Gehalt wäre eine Trainerin auch finanzierbar, was auch in Zeiten von klammen Kassen ein guter Beitrag zur Sanierung des deutschen Fußballs wäre. Denn, weil eine Frau ja logischerweise keine Erfahrung im Profigeschäft hat, wird sie dann auch weniger verdienen“. Mein Kumpel ist ein echter Frauenversteher.

Dagegen gibt es übrigens die Initiative „Fußball kann mehr“, die eine Frauenquote von 30 % für Führungspositionen im Fußballgeschäft fordert. Eine vorbildliche Sache, die man unbedingt in Erwägung ziehen sollte, vor allem auch im Präsidium des DFB. Unter dem Motto: Die Männer richten den Schaden an, und die Frauen bauen alles wieder auf. „Trümmerfrauen“ nannte man das früher mal. Wie wenig die Zeiten sich doch geändert haben.

Und natürlich sollten die deutschen Fußballfrauen genau so viel Geld bekommen wie die Männer. Das Problem ist nur, woher dieses Geld kommen soll? Von der Zahnfee jedenfalls nicht. Auch ein Lottogewinn würde da nicht ausreichen. Und dass mal ein reicher Erbonkel aus den USA auftaucht, dürfte auch nicht so schnell passieren. Auch nicht einer aus Nigeria. Woher also nehmen, wenn nicht stehlen?

Zur Erinnerung: Den Männerfußball gucken sich jedes Jahr in Deutschlands Stadien ca. 18 Millionen Menschen an, die den Vereinen dafür etwas bezahlen. Wie hieß das noch? Ach ja, Geld. Doch damit nicht genug. Denn weil so viele Menschen Männerfußball gucken, haben diverse Sender ein Interesse, diese Spiele zu senden, und zahlen den Vereinen auch etwas. Und zwar ebenfalls - man glaubt es kaum – Geld.

Doch damit immer noch nicht genug. Denn weil diverse Sender nochmal ca. 20 Millionen Leuten mit diesen Sendungen erreichen, haben gewisse Firmen und Unternehmen ebenfalls ein gewisses Interesse, bei diesen Spielen ihre Firmen und Unternehmen namentlich erwähnt zu sehen. Nennt sich Werbung. Und diese Firmen und Unternehmen zahlen auch etwas, und zwar – Ihr werdet es nicht erraten - Geld.
Und von all diesem Geld, das die Vereine einnehmen, zahlen sie den Spielern hohe Honorare. Nennt sich Betriebswirtschaft. Wer hätte das geahnt?

Und wenn die Frauen die gleichen Honorare bekommen wollen, gibt es im Grunde nur zwei Möglichkeiten. Entweder, die Männer verzichten freiwillig auf einen Teil ihrer Einnahmen, um es mit den Frauen zu teilen… hmmm, oder es gibt also im Grunde nur eine Möglichkeit:
Es müssen sich in Deutschland viel mehr Menschen Frauenfußball angucken. Und wenn ich mir aber vor Augen führe, wie im zurückliegenden Jahr die Männer Fußball gespielt haben, und damit vergleiche, wie die Frauen Fußball gespielt haben, bin ich mir sicher, dass das auch früher oder später passieren wird.

Denn wenn ich mir dann noch vor Augen führe, dass die Spiele der Männer sogar weniger Menschen vor dem Fernseher verfolgt haben, als z B das EM-Endspiel der Frauen gegen England, dann wird das wohl sogar früher als später passieren. Und das womit? Mit Recht!

Denn was macht man in der Sommerpause, wenn kein Fußball läuft? bzw: Was macht ein Mann in der Sommerpause, wenn kein Fußball läuft? Die Weltmeisterschaft im Frauenfußball gucken und hinterher feststellen: „Boah, mit Männerfußball hatte das aber nichts zu tun.“
Und das stimmt. Denn ich muss schon sagen, ich war schwer verstört.

Es fängt schon mit den Vorberichten an. Da sitzen in einem Fernsehstudio statt der üblichen Verdächtigen, wie z B Uli Hoeness (wobei das ja kein Verdächtiger ist, sondern ein Überführter), sitzen da also irgendwelche mir völlig unbekannten Frauen, und vollziehen ein mir völlig unbekanntes Interview-Verhalten, nämlich floskelfreie, phrasenabwesende, satzbaukastenferne Antworten geben. Antworten, bei denen man erstaunt zuhört, bzw: bei denen ein Mann erstaunt zuhört, weil sie nicht glattgebügelt klingen, sondern interessant. Daran musste ich mich erst mal gewöhnen. Das letzte mal, als beim Männerfußball Interviews ohne Vorbereitung durch einen Rhetorik-Coach stattfanden, da lebte Sepp Herberger noch.

Die nächste Irritation stellte sich ein, wenn man die Spiele guckte. Statt abgezockter Taktiererei permanente Begeisterung und Leidenschaft. Fußball spielen mit der Betonung auf „spielen“. Statt Ballgeschiebe ein Dauerfeuer an Offensivgeist mit einem ständigen Hin und Her, dass ich zunächst dachte, ich hätte aus Versehen ein Match auf der Konsole eingeschaltet.

Aber das Schlimmste waren die Momente, in denen eine Spielerin gefoult wurde. Man sitzt vor dem Fernseher und freut sich auf die Neymar-Gedächtnis-Rollen mit eingesprungenem Gejammer und Lamento, gefolgt von exorbitanter Rudelbildung und vehementer Kartenforderung, wahlweise gelb oder rot, und was passiert? Nix! Stattdessen: Hinfallen. Aufstehen. Krönchen richten. Weitergehen. Wie ehrbar dieser Sport doch aussehen kann, wenn er nicht von Männern betrieben wird.

Um das alles nur, um ………am Ende dann doch viel mit Männerfußball zu tun haben. Zumindest mit dem deutschen. Ausgeschieden in der Vorrunde. Sage noch mal einer, die Frauen spielten schlechter.

Den Titel gewonnen haben ja dann die Spanierinnen und dann gab es ja diesen Vorfall, dass der männliche Verbandschef eine Spielerin ungefragt und öffentlich auf den Mund küsste, worauf ihr erster Kommentar war: „Was sollte ich machen, es hat mir nicht gefallen.“ So sind sie, diese Weiber. Erst sagen sie nicht „Nein“, und anschließend zicken sie rum.

Etwas untergegangen ist dabei allerdings die Reaktion von Karl Heinz Rummenigge, weswegen ich sie hier noch einmal hervorheben will als vorbildliches Signal gegen woken Genderwahn und inakzeptablen Tussiterror.

Denn Rummenigge, der smarte Charmeur und Womanizer sagte über den Kuss dieses männlichen Verbandschefs: „Was er da gemacht hat, ist - sorry, mit Verlaub - absolut okay.“ Und da kann man sich doch nur bedanken, dass in diesen Zeiten überhaupt noch einer wagt, die Wahrheit zu sagen. Genauso okay ist es ja auch, den Zoll zu betrügen, das Finanzamt zu belügen, und auf der Weihnachtsfeier sich mit der Sekretärin zu vergnügen – sorry, mit Verlaub.

Aber Rummenigge hat seine Sicht der Dinge sogar noch präzisiert, und erklärt: „Als wir letztes Mal die Champions League gewonnen haben, habe ich Männer geküsst - nicht auf den Mund zwar, aber aus Freude.“ Und da ist bei dieser spanischen Spielerin endlich der Groschen gefallen. Dass man es diesen Emanzen aber auch immer wieder erklären muss, bis sie sich nicht mehr so widerspenstig anstellen. Dass es nämlich absolut okay ist, von einem Mann ungefragt geküsst zu werden. Und zwar egal, welches Geschlecht und Machtverhältnis man hat.

Im Gegenteil, es gibt doch nichts Erhabeneres, als einen Karl Heinz Rummenigge, der dir vor Millionen Zuschauern seine formschönen Lippen auf den Mund presst. Aus Freude.

Und genau da muss Rummenigge sich eben doch Kritik gefallen lassen. Denn genau das hat er ja nicht gemacht. Denn wie hat er formuliert: „Nicht auf den Mund“. Schade! Oliver Kahn sagte mal: „Wir brauchen Eier.“ Und genau dann, wenn es drauf ankommt, verpasst Rummenigge, ein Zeichen gegen Homophobie zu setzen. Also, da muss er noch ein bißchen üben, und mit etwas Glück klappt‘s dann aber vielleicht mit einem Job als Gleichstellungsbeauftragter für den deutschen Fußball.

Und dann sollte man sich auch nochmal angucken, wie es mit der Gleichberechtigung der Geschlechter aussieht, wenn man den Zustand unserer Gesellschaft beurteilen will.

Annika

Als ich als kleiner Steppke kleine Steppkin - wat weiß denn ich wie das heißt als ich jedenfalls in der F-Jugend des Dorfvereins 1989 bei meiner ersten Einwechslung beim Hallenturnier furios mit Vollspann gleich dem Vater unseres Star-Stürmers die Pulle Fiege aus der Hand schoss, kannte ich selbstverständlich keine einzige Nationalspielerin. Die Mädels waren zwar jüngst Europameisterinnen geworden, im eigenen Land, aber ich wollte, nachdem man mich nach dem kleinen Fiege-Faux Pas wohl zurecht ins Tor stellte, Teddy de Beer werden, oder Raimond Aumann, oder Jens Lehmann (ich hatte ja keine Ahnung).

Weibliche Vorbilder? Hä? Waren Fußballer nicht eh immer Männer? Sonst hätte ich ja wohl auch mal Frauen spielen sehen?! Frauen im Fernsehen spielten Tennis und trugen dazu gefälligst weiße Röcke (weirdeste Erfindung, so aus Frauensicht, übrigens) oder ritten mit hübschen Zöpfchen auf Ponys namens Rembrandt oder Galapagos (mit ebenso hübschen Zöpfchen) zu niedlicher Musik im Carré.
Andererseits: Was hätten Frauen im Fernsehen auch sonst machen sollen? Nachrichten sprechen, vielleicht. Aber da musste Mann ja auch immer befürchten, dass die dann gleich wieder Schalke 05 sagen. Haha, diese Dummerchen. Aber woher sollen sies auch wissen. Fußball ist eben Männersache. Wat auch sonst

Schon irre, was sich seitdem bewegt hat. Weil Frauen sich den Weg freigeschaufelt haben.

Und wenn jetzt, wie du, auch noch der eine oder andere Mann mehr laut ausspricht, dass es vielleicht tatsächlich nur einen Fußball gibt (dat wär ja irre!), ist das großartig, zeitgemäß, nach wie vor nötig und absolut Gold wert.

Ehrlich: Danke dafür.

Ich bin nach dem Fiege- Faux Pas dann tatsächlich Torwart geworden (und hätte geschworen, es gibt da auch kein weibliches Wort für) und über 20 Jahre geblieben.
War sicher für alle Beteiligten besser so. Und die verzweifelten Rufe der gegnerischen Seitenlinien- Väter, wenn die Söhne noch nicht mal bei einem Mädchen trafen, haben mich mit meinen Jungs nur noch enger zusammengeschweißt.

Heute hätte ich Mitspielerinnen und müsste nicht ständig in der Schule erklären, warum ich bei den Jungs mitmache, bei deren Fußball, und nicht bei den richtigen Mädchen beim Turnen. Hätte man sich auch schenken können, die Frage. Ich mein: schon mal 'n Fußballer aufm Schwebebalken gesehen. Lebensgefährliche Veranstaltung. Aber damals war es für die Schulen wohl noch immer leichter zwischen Jungs und Mädels zu unterscheiden als zwischen ihren Talenten. Schade.

Vieles ist seitdem leichter geworden für die Mädchen von heute. Aber bisschen wat gibbet noch zu tun.

Daher:
Dickes Danke für deinen tollen Text, HG!

Jo

Wunderbarer Kommentar, auch zum Zeitgeschehen. Ich habe den Verdacht, dass es nie erwachsene Männer und Frauen sind, die sollten ja so weit erwachsen sein, dass dieses mit zweierlei Maß gemessene aufhört. 🙃 Was uns da wirklich hemmt sind Jungsgedanken über Mädchen, die schon damals Unfug waren, aber da waren alle ja noch klein. Erwachsene Menschen sollten es dann doch besser wissen!