


Also mal ganz grundsätzlich (OKT 25)
im Sept. 2025
Meine lieben Freundinnen und Freunde des weltverbessernden Kabaretts.
Also mal ganz grundsätzlich.
Wie ich vor einiger Zeit schon schrieb, habe ich ja nicht nur keinen Social-Media-Account, sondern auch grundsätzlich keinen Bock, das regelmäßig wiederkehrende Rattenrennen um den schnellsten Kommentar mitzumachen.
Stattdessen möchte ich mir lieber Zeit nehmen und erstmal abwarten, bis die erste Emotionswoge abgeebbt ist, und währenddessen lieber gründlich recherchieren, um am Ende zwar immer noch nicht allen Aspekten gerecht zu werden, aber das dann wenigstens gründlich.
Und natürlich meine ich damit die Vorgänge der letzten Wochen in den USA. Denn mal ehrlich und Hand aufs Herz, wer von Euch hatte zuvor schon mal den Namen Charlie Kirk gehört? Ich jedenfalls nicht. Kirk kannte ich nur vom "Raumschiff Enterprise", und der hieß mit Vornamen James T.
Aber seit auf einer Podiumsdiskussion an einer Universität in Utah der 30-jährige Trump-Unterstützer Charlie Kirk erschossen wurde, orgelten unsere Medien diese Person von vorne bis hinten durch unsere Infokanäle, bis auch der Letzte mitbekommen hatte, dass da ein angeblich glühender Verfechter der Meinungsfreiheit einem tatsächlich hinterhältigen Verbrechen zum Opfer fiel. Und auf einmal gingen alle steil.
Sogar bei uns in Deutschland musste jeder, der sich zu diesem Thema äußern wollte, das Selbstverständlichste erst mal vorwegschicken, um klarzustellen, dass man es selbstverständlich absolut nicht in Ordnung findet, jemanden zu erschießen, und auch nicht, so eine Tat hinterher abzufeiern. Und zwar, um nicht missverstanden zu werden. Und nur, um am Ende trotzdem missverstanden zu werden.
Und wenn dann Leute aus dem linken Spektrum über ein Opfer aus dem rechten Spektrum es an Pietät mangeln ließen, empörten sich darüber vor allem Leute aus dem rechten Spektrum. Als würde das andersrum nicht ganz genau so ablaufen! Als würde der ein oder andere, der jetzt Pietät einforderte, bei einem anderen Opfer selber eine solche Tat nicht genau so pietätlos abfeiern!
Die Vorgänge um den Anschlag auf Nancy Pelosis Ehemann seien an dieser Stelle erwähnt, wie auch die Vorgänge um die Ermordung zweier Demokraten im Juni 2025, wie auch die Vorgänge um den Prozess gegen Kyle Rittenhouse. Und ratet doch mal, wer bei all diesen Pietätlosigkeiten stets dabei war. Jedenfalls nicht der Captain auf der Enterprise.
Was mich zu der grundsätzlichen Frage führt: Hat grundsätzlich jeder Mensch ein Recht auf Pietät? Oder gibt es Ausnahmen? Oder hat nicht jeder Mensch auch ein Recht auf Ausnahmen von Pietät? Und ist dieses Recht bei allen Menschen rechtens? Oder dürfen das nur rechte Menschen rechtfertigen? Und wie selbstgerecht ist das dann?
Dieselben Leute, die sich jetzt hinstellten und sagten, dass das Abfeiern der Ermordung von Menschen grundsätzlich immer zu verurteilen ist, sind mitunter dieselben Leute, die z B die Ermordung von Osama bin Laden abgefeiert haben.
Natürlich kann man bin Laden nicht mit Kirk vergleichen. Aber wenn man das Abfeiern der Ermordung von Menschen doch nicht grundsätzlich immer verurteilen muss, sondern in einzelnen Fällen doch ganz in Ordnung zu sein scheint, stellt sich die Frage: Wo zieht man die Grenze? Also mal ganz grundsätzlich?
Da, wo Gewalt physisch ausgeübt wird?
Oder bereits da, wo sie verbal in Erscheinung tritt?
Da, wo verbale Gewalt physische Gewalt relativiert und rechtfertig?
Da, wo verbale Gewalt physische Gewalt verharmlost und verherrlicht?
Da, wo verbale Gewalt zu physischer Gewalt aufruft und anstachelt?
Merke: Auch jemand, der mit Worten verletzt, fügt Schmerz zu!
Und Rufmord klingt nicht zufällig wie ein Tötungsdelikt.
Und jemand, der sich einen Scheißdreck darum schert, permanent anderen Menschen verbal Schmerz zuzufügen, ist niemand geringerer als der aktuelle Präsident in den USA.
Denn obwohl Donald Trump z B vier Jahre lang abstritt, für den physischen Sturm aufs Capitol verbal verantwortlich zu sein, war seine erste Amtshandlung, alle daran Beteiligten zu begnadigen. Und wenn das also anscheinend doch nicht so schlimm war, hätte er ja auch vier Jahre lang dazu stehen können.
Aber was kümmert sich die aktuelle US-Regierung um Doppelmoral oder Heuchelei? Was kümmert sich die aktuelle US-Regierung um Unlogik und Widersprüchlichkeit ihrer Argumente? Oder überhaupt noch um Argumente?
Und das gilt natürlich auch für die ganze Clique an zweitklassigen und zwielichtigen Speichelleckern und Ja-Sagern, die Trump um sich geschart hat. Allen voran der Windbeutel J.D. Vance. Oder Pete Hegseth, der Erfinder des Wortes "Kompetenzsimulant". Oder Berater Stephen Miller, der nicht nur aussieht wie Lord Voldemort.
Die ganze Junta im Weißen Haus, die Augusto Pinochet nicht besser hätte zusammenstellen können, zuzüglich der ruckgratlosen Herren Tesla, Amazon, Facebook, Paypal, Google, Meta, Palantir, X-Twitter, Alphabet, all die Multimilliardäre, denen das Verdienen wichtiger ist, als die Verfassung.
Tatsächlich braucht es mittlerweile keine Argumente mehr, keine Beweise, keinen Austausch von Standpunkten, keine Kontroverse. Es braucht nicht mal mehr den Anschein von Anstand. Es gibt schlicht nichts mehr, das zu irgendwelchen Konsequenzen führt. Und das mit aller Konsequenz.
Je absurder die Botschaft, desto leerer der Inhalt, desto größer die Zustimmung in der Bevölkerung. Der Kaiser hat keine Kleider an, und alle kuschen. Sogar sämtliche Oberbefehlshaber und Generäle des US-Militärs.
Nicht mal in der UN-Vollversammlung traut sich auch nur ein einziger Delegierter aufzustehen und dem Schwachkopf am Rednerpult zu sagen, dass alle Welt sieht, dass er ein Schwachkopf ist.
Und spätestens die sanftmütigen und warmherzigen Worte des US-Präsidenten auf Kirks Trauerfeier, als er die Gelegenheit nutzte, den versöhnlichen Satz zu sagen: "Ich hasse meine Gegner." zeigt, woher der Wind weht, und wohin der Weg führt.
Während die Gegner dabei nicht mehr mit Fackelaufmärschen eingeschüchtert werden, sondern mit Social-Media-Accounts vom Sofa aus.
Denn die Mainstream-Medien sind die Feinde des Volkes, Komikern wird das Lachen schon noch vergehen, Universitäten werden die Mittel gekürzt, und in den Schulen sind inzwischen rund 10.000 Bücher aus den Bibliotheken verschwunden.
Stattdessen kann man da jetzt lernen, dass indigene Ureinwohner nie massakriert wurden, und Sklaven gab es auch keine, sondern nur glückliche Gastarbeiter. Außerdem liebt Gott die Amis, und mit dem globalen Klima ist ebenfalls alles in Ordnung.
So wird das jetzt in amerikanischen Schulen verbreitet, und mit diesem "Wissen" wächst eine ganze Generation von Kindern und Jugendlichen auf. Und das wächst sich dann so schnell auch erstmal nicht mehr raus.
Und auch wenn ich weiß, dass Geschichte sich nicht wiederholt, so sind in den USA einige Parallelen doch inzwischen - ichsachmal - sehr interessant. Ersetze Charlie Kirk mit Horst Wessel. Und Trump mit Hindenburg. Der Lebensraum im Osten heißt heute Grönland. Statt olympischer Spiele gibt es eine Fußball-WM. Und dann muss nur noch irgendwann das Capitol brennen, und die Demokraten werden verboten, verfolgt und eingelocht.
Andererseits gibt es natürlich nicht nur Parallelen, sondern auch Unterschiede zu damals. Und der gravierendste ist: Es sind weit und breit keine Alliierten in Sicht, die dem Spuk ein Ende bereiten könnten.
Höchstens der Klimawandel, sollte er sich eines Tages doch nicht als Lüge entpuppen, könnte diese MAGA - Mischpoke mitsamt ihrem Project 2025 vom Antlitz der Erde fegen. Und wer wollte dann Pietät einfordern?
James T. Kirk jedenfalls würden melden: "Scotty, beam me up. There is no human intelligence on this planet.
Und das mal ganz grundsätzlich."
Lieber Hansi,
wie immer, großartig.. weiter so …
Bis spätestens im Januar in der Kaue…
Eva und ich freuen uns schon sehr..
ganz liebe Grüße
Karin Claas
Ein imposantes Satement! Sehr, sehr schön. :)
Hallo HG.,
der Boden unserer Zivilisation ist seeeehr dünn! Zusammen mit den (a)sozialen Medien und den viele Menschen überfordernden Krisen bekommt er immer mehr Risse und alles Böse und Schlechte im Menschen tritt zum Vorschein. Ich sehe der Zukunft mit großer Besorgnis entgegen.
Vielen Dank für diesen tollen Beitrag.
Perfekt auf den Punkt gebracht!