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I shao ni tsu (MAI 08)

im Apr. 2008

Liebe Freunde und Förderer des weltverbessernden Kabaretts.

Geht Euch dieses Getue und Gemache um die olympischen Spiele inzwischen nicht auch ein wenig auf den Senkel?
Öffentliche Fackelläufe, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden,
Sportler, die ihren Sport betreiben, aber ansonsten das Maul halten sollen,
und Sportfunktionäre, die sich um eine völlig neue olympische Disziplin verdient machen, nämlich den  "diplomatischen Eiertanz".

Als würde die Welt erst heute erfahren, dass die Chinesen es mit Tibet ein bißchen ungenauer nehmen als lupenreine Vorzeigedemokratien, wie z B die USA mit dem Irak oder Russland mit Tschetschenien?
(Oder mit welchem UN-Mandat nochmal haben eigentlich deutsche Bundeswehr-Piloten Belgrad bombadiert?)

Nun ja, dass das "Internationale Olympische Komitee" von der Situation nichts wusste,
das glaube ich allerdings unbesehen. Denn der Tunnelblick auf Umsatzkurven und Renditesteigerungen mag den Rest des Gehirns dermassen in Anspruch nehmen,
dass es für die Wahrnehmung von Freiheit und Menschenrechten einfach nicht mehr reicht.
Oder um das auch mal positiv zu formulieren:
Tibet will die Unabhängigkeit, und die Chinesen sind aber schon beflügelt vom olympischen Geist, nach dem Motto: "Nix da Tibet, dabei sein ist alles!"

Und deswegen ist auch die Frage nach einem Boykott der Spiele eine ebensolche Freude, wie die Spiele selbst.
Denn dass die globalisierte Wirtschaft inzwischen von China abhängig ist, dürfte weitgehend bekannt sein, spätestens seit die Regierungschefs der G8-Staaten sich fragten, wie man wohl Afrika am günstigsten einkaufen könne, und die Chinesen darauf  antworteten: "Moment mal, wer sagt denn, dass wir überhaupt verkaufen wollen?"

Nicht zu vergessen, dass die chinesische Zentralbank US-Staatsanleihen im Wert von ca. 1.500 Milliarden Dollar besitzt und mit einer einzigen Transaktion auf den Kapitalmärkten die Präsidentschafts-Wahlen in den USA auf die Frage reduzieren könnten, welcher Kandidat der beste Konkursverwalter sein möchte!

Wie will man sowas boykottieren?
Da hat man doch keine Chance!
Natürlich nicht! Oder?
Falsch!
Natürlich gibt es eine Möglichkeit. Jawoll! Und zwar - und jetzt haltet Euch gut fest:
Als Konsument! Jawoll! Als Konsument! Und Verbraucher!
Also als derjenige, der sich diese Spiele zu jeder Tag- und Nachtzeit gefälligst anschauen soll, damit die Werbung gefälligst auch in unseren Gehirnen die Frage nach Freiheit auf die Freiheit reduziert, welches Waschpulver unsere Westen nun weisser wäscht.
Das ausm Westen, oder das ausm fernen Osten?

Und aus diesem Grund werde ich, während im TV die Spiele laufen, mich woanders aufhalten. Jawoll! Und zwar nicht nur so, sondern sichtbar!
Im Stadtpark, in der Fußgängerzone, im Freibad, oder sonstwo.
Ganz egal. Solange da kein Fernseher läuft.

Und damit das aber nicht nach Zufall aussieht, werde ich währenddessen ein T-Shirt tragen, ein Armband, ein Stirntuch, ein Button, oder sonstwas. Auch egal.
Und darauf steht der Satz: "I SHAO NI TSU!"
Das ist chinesisch und heißt auf Deutsch: "Ich kuck nich hin!"

So!
Und wer sich dem anschliessen will, der ist herzlich willkommen!
Und wer das weiterverbreiten will, ebenfalls.
Dabei sein ist alles!
Und wer weiss?
Im Zeitalter des Internet sind wir ganz schnell Hunderttausende Millionen, die sich während der Übertragungen im Stadtpark aufhalten, in der Fußgängerzone, im Freibad, oder sonstwo!
Das wird zwar eng, aber was solls?
In 50 Jahren werden wir über 10 Milliarden Menschen auf der Erde sein,
da wird es ohnehin noch richtig kuschelig!