Alter weißer Weihnachtsmann (DEZ 25)

im Dez. 2025

Weißt du, woran du merkst, dass du alt geworden bist?
Wenn du den Fernseher einschaltest, Robbie Williams da auftaucht, und Werbung macht für Seniorenkreuzfahrten.

Spätestens wenn Heidi Klum mit Rollator eine Flasche Doppelherz anpreist, weißt du, dass die letzte Runde eingeläutet ist. Was viele bei Heidi Klum auch kaum erwarten können. Doppelherz. Bei Heidi Klum würde man sich ja schon freuen, wenn sie wenigstens ein einziges Herz hätte. Diese spät geborene BDM-Führerin für früh verführbare auf Pro7.

Und woran hab ich gemerkt, dass ich ein alter weißer Mann geworden bin? Als ich einen alten weißen Mann spielen sollte. Nämlich den Weihnachtsmann.

Ohne Scheiß. Meine Nachbarn haben mich gebeten, am 24. Dezember für deren 5-jährigen Sohn den Weihnachtsmann zu spielen. 24. Dezember, da möchte man sich einen netten Abend machen und besinnliche Weihnachts-Filme gucken: Stirb Langsam, 1- 4.

Und jetzt sollte ich den Weihnachtsmann spielen.
Ich mein, was hab ich mit dem Christentum zu tun?
Ich bin ja Atheist. Also….kein praktizierender.
Ich bin ja auch Vegetarier, aber nur bei den Beilagen.

Aber meine Nachbarn haben nicht lockergelassen, und wollten mich unbedingt überzeugen. Und der 5-jährige Sohn von den Nachbarn is son richtig lieber, son netter schüchterner Sunnyboy. Und wenn man dann den Weihnachtsmann spielt, hat man hat ja auch eine Verantwortung für die Prägung von sonem Kind.

Ich zum Beispiel bin im Alter von 5 Jahren in Gelsenkirchen gegenüber dem Fußballstadion GlückAufKampfbahn aufgewachsen. Was Konrad Lorenz für die Gänse is, is Schalke für mich.

Und wenn man fürn 5-Jährigen den Weihnachtsmann spielt, muss man ja richtig aufpassen, dass man da nicht aus Versehen ein lebenslanges Trauma beim Anblick von Männern mit Vollbart und komischer Mütze auslöst. Ein falscher Ton von mir und Torsten Sträter hat keine Chance mehr. Also so gesehen, wär das auch eine echte Chance.
Nein, nix gegen den Kollegen Torsten Sträter. Ohne Scheiß, ein ganz Netter. Is halt nur viel zu selten im Fernsehen zu sehen. Egal wo man hinzappt, nie sieht man Torsten Sträter. Naja, kann halt nicht jeder so berühmt sein, wie ich.

Jedenfalls dachte ich, wenn ich den Weihnachtsmann spiel, besprech ich das lieber vorher mit den Eltern. Weil, die sind ja auch ganz progressiv eingestellt und gegen Diskriminierung und für Gleichstellung, und so. Und deswegen habe ich ihnen gesagt:
Wir müssen aus den verkrusteten Strukturen ausbrechen und uns neue Traditionen schaffen. Also bitte keine grünen Pullover mit Weihnachtsbaummotiven drauf. Wenn ich eines hasse, dann grüne Pullover mit Weihnachtsbaummotiven drauf.

Und dann schlug ich vor: Um das Eis zu brechen, sage ich vor dem Geschenke auspacken erstmal was Antiautoritäres, so von wegen: Dass ich ja nur guten Menschen Geschenke mache. Und deswegen kriegen Deine Eltern heute nix.

Und dann denke ich mir, man soll Kinder ruhig auch mal mit dem echten Leben konfrontieren. Kinder haben eh ein klares Gespür dafür, wenn man sie in Watte packen will. Und deswegen sage ich als nächstes, dass wir zuerst eine Schweigeminute einlegen müssen, weil ich ganz traurig bin, weil heute auf der Anreise ist eines meiner Rentiere gestorben. Ja, es war schon alt. Und seine Zeit war gekommen. Wie ja für jeden die Zeit mal kommen wird.

Das ist ganz wichtig, dass man Kindern das schon früh genug klar macht. Vor allem, wie es da auf der Straße lag, und die Gedärme so rausquollen, da war der Gnadenschuss mit der Schrotflinte eine Erlösung.

Und dann schlug ich vor: Wie wär als nächstes ein Zeichen gegen
Genderdiskriminierung? Reiß ich den roten Mantel auf. Und trage drunter Strapse… Es gibt doch so viele Möglichkeiten.
Und manchmal ist der Papa eben gerne auch mal die Mama.

So, und dann überreiche ich die Geschenke und frage den Kleinen:
Na, was hat denn der alte Mann da wohl in seinem Sack?
Und dann weise ich dabei drauf hin, dass es - ganz wichtig, so viel soziale Ungerechtigkeit gibt, und dass er sich eines von seinen Geschenken aussuchen soll, dass wir dann einem anderen Kind geben, dass nicht so behütet in einer so wohlhabenden Familie aufwachsen darf, wie er.

Und wenn er sich sträuben und quengeln sollte, sag ich: Nein, das finde ich jetzt aber gar nicht gut. Es gibt auch Kinder, deren religiöse Indoktrination heute überhaupt keine Geschenke vorsieht. Und bei denen kommt der Weihnachtsmann heute überhaupt nicht vorbei. Und irgendwie ist Weihnachten für diese Kinder auch eine Art von Ausgrenzung. Und das willst du doch wohl nicht. Weil mit jedem Geschenk, das du kriegst, tust du diesen andern Kindern richtig weh.
Also solltest du doch mal schön zufrieden sein, dass du überhaupt was bekommst. Und dich hier nich so undankbar und verwöhnt aufführen.

Und zum Schluss wollen wir an so einem Abend wie heute auch mal an all die Obdachlosen denken, die an Weihnachten überhaupt kein Dach überm Kopf haben, all die Alkoholiker und Drogenabhängigen, die auf der Straße leben mit offenen Wunden und Ekzemen und Eiterpusteln. Und aus Solidarität trinken wir erst mal einen.
Nich lang schnacken - Kopf in Nacken.
Zur Mitte zur Titte - und dann zum Sack!

Und das habe ich den Eltern so vorgeschlagen, dass wir eben nicht so einen verstaubten althergebrachten Weihnachtsbegriff fortführen, sondern eine zeitgemäße moderne Version anwenden. Und dann haben die das miteinander ausdiskutiert, und dann hab ich am 24. Dezember in aller Ruhe Stirb Langsam 1-4 geguckt.

Bis es an meiner Tür klingelte und als ich öffnete, ein 1,20 Meter kleiner Weihnachtsmann da stand, und mir Geschenke überreichte.
Eine Flasche Doppelherz.
Ein grüner Pullover mit Weihnachtsbaummotiven drauf.
Und eine CD von Torsten Sträter.