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Satire - APO (JULI 23)

im Juli 2023

Nachdem Monika Gruber auf einer Kundgebung in Erding gemeinsam mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder und dessen Stellvertreter Hubert Aiwanger eine Rede hielt, und anschließend eine Debatte über linkes, rechtes, richtiges und falsches Kabarett ihre öffentliche Fahrt aufnahm, möchte ich jetzt, rechtzeitig in die abebbende Dynamik auch noch meinen Senf auf diese Wurst schmieren.

So, wie ich das sehe!

Also zunächst mal grundsätzlich: Politisches Kabarett ist immer APO. Also Außerparlamentarische Opposition. Egal wer an der Regierung ist, der kriegt‘s ab, also die Kritik, also die Regierungskritik.
Lustig wird’s nur, wenn man für eine Regierungskritik z. B. an der Bundesregierung gemeinsame Sache macht mit einer Landesregierung. Also, wenn man für eine Kritik gemeinsam mit einem Ministerpräsidenten auftritt, dann hat das schon weniger mit APO zu tun. Und zwar ganz egal, ob mit einem Ministerpräsidenten der Linken in Thüringen, oder einem von der CSU in Bayern. Wer mit einem Regierungsvertreter gemeinsame Sache macht, ist nicht mehr APO, sondern Am Arsch!

Wobei man allerdings als Kabarettist auch ohne Anwesenheit eines Regierungsvertreters obrigkeitshörig werden kann. Es reicht, wenn man, wie z. B. in einer Pandemie, die Regierungskritik einstellt, und dazu übergeht, Regierungskritiker zu kritisieren. Sich selber auf die Seite der Mächtigen stellen, und alle Vertreterinnen und Vertreter der APO in die Ecke der Falschen verdammen. Das haben zuletzt erstaunlich viele im deutschen Kabarett mühelos geschafft.

Also Kabarettistinnen und Kabarettisten, die tatsächlich ihren Außerparlamentarischen Oppositionsauftrag vergessen haben und stattdessen regierungsfreundlich geworden sind. Also zusätzlich zu denen, die es vorher schon waren. Aber das waren ja nur wenige. Also Nuhr, und wenige.

Wobei ich mal an dieser Stelle auch mal etwas klarstellen muss. Ich bin ja ein Freund von differenzierten Betrachtungsweisen. Und dieses pauschale Nuhr-Bashing ist mir zu billig. Ich finde bei Dieter Nuhr immer wieder Aussagen und Ideen, die ich richtig klasse finde. Ohne Ironie. Das Problem bei Dieter Nuhr ist dann immer der nächste Satz. Wo er dann alles wieder mit den Hintern einreisst, und ich mir denke: Was sagt er denn jetzt da wieder, der Bub?
Aber ich finde nicht alles bei Dieter Nuhr schlecht, und nicht alles bei Jan Böhmermann gut. Ich kann mich bei beiden amüsieren, bei beiden Denkanstöße finden und beide tragen zu meiner Meinungsbildung bei.

Denn mein Motto ist ja bekanntlich „logisch statt ideologisch“. Womit man dann aber eben nicht nur zwischen allen Stühlen sitzt, sondern auch noch mitten in den Nesseln.
Und in einer Zeit, in der nicht nur in der Gesellschaft die Spaltung vorangetrieben wird, sondern auch in der Kabarettszene, hauen sich zwei Seiten permanent gegenseitig auf die Fresse.
Und wenn man sich, wie ich das Recht herausnimmt, sowohl die einen, als auch die anderen zu kritisieren, kriegt man von beiden Seiten auf die Fresse. Oder mit anderen Worten: Wer mal wissen will, wie sich ein Leberkäse zwischen zwei Brötchenhälften fühlt - Herzlich willkommen in meinem Leben.

Und so gibt es ja im Fernsehen auch noch andere Kabarettformate, die ich lange Zeit richtig superkritisch fand! Und plötzlich mit Beginn der Pandemie, haben die aber nicht mehr die Angriffsflächen der Regierung bearbeitet, sondern ihre Regierungskritik eingestellt und Regierungskritiker kritisiert. Zeit darauf verwendet, Kritik gegen Regierungskritiker zu machen, gegen Oppositionelle, oder noch heftiger: Gegen Nena.

Ich mein, klar, es gibt ja diese unausgesprochene Regel in der Kabarettbranche: Keine Kollegenschelte! Finde ich OK. Deswegen mache ich ja jetzt KollegInnenSchelte.
Nein, war nur Spaß. Aber mir geht es nicht um Namen, mir geht es um Inhalte.

Denn wenn es z. B. plötzlich bei einer deutschen Kabarettistin hieß, die Spaltung der Gesellschaft sei doch kein Problem, weil das doch nicht so wäre, als ginge der Spalt durch die Mitte der Gesellschaft, sondern die, die sich abspalten wollen, sitzen im Blinddarm.
Und wir alle kennen den Blinddarm. Das ist wie der Ehemann. Wenn er nervt, muss er raus.

Wobei ich mir aber dachte: Das Problem ist doch nicht, dass die Spalter im Blinddarm sitzen. Das Problem ist, dass das Gehirn Teile des eigenen Körpers zum Blinddarm erklärte, obwohl diese Teile sich selber da gar nicht zugehörig fühlten. Also Gehirn steht jetzt für die Regierung, OK? Zugegeben, unsere Regierung als Metapher für`s Gehirn ist ein schlechter Vergleich.

Aber das Problem dabei ist doch, dass plötzlich Leute sich mitabgespalten fühlten, die sich selber gar nicht abspalten wollten, die sich selber gar nicht im Blinddarm sahen. Und die von der Regierung aber, mit tatkräftiger Unterstützung des deutschen Kabaretts in einem Abwasch alle aus dem Volkskörper ausgegrenzt wurden.
Und da habe ich mich schon gefragt: Gilt „leave no one behind” eigentlich nur für die, die in unsere Gesellschaft wollen, oder auch für die, die sich schon in ihr befinden?

Und diese Taktik, jeden, der Regierungskritik äußert, in die rechte Ecke zu stellen, das geht natürlich nur so lange gut, bis die Menge derer, die da sich da plötzlich in der rechten Ecke wiederfinden so groß wird, dass da keine Ecke mehr ist, sondern die Quadratur des Kreises.
Und dann wundert sich die linke Ecke, dass sie irgendwann so klein geworden ist, dass sie für Leute mit Regierungskritik noch weniger Platz bietet als ein Beichtstuhl für eine Swingerparty mit dem Knabenchor.

Und nicht nur aber, dass die deutsche Satire sich zu einer PR-Agentur der Mächtigen machte, man bot dem Regierungskurs sogar eine Plattform, sich sympathisch darzustellen. Dass Kabarettistinnen und Kabarettisten z. B. einem Karl Lauterbach die Gelegenheit gaben, sich in einem TV-Comedyformat als Komiker zu präsentieren. Also bitte, damit Karl Lauterbach sich als Komiker präsentiert, braucht man doch kein Comedyformat. Da reicht doch ein Auftritt im Bundestag.

Und apropos Komiker: Markus Söder, für den es auf der Skala zwischen Loriot und Otto Waalkes nicht mal zu einem Fips Assmussen reicht, haut ja eine populistische Kackscheisse nach der anderen raus. Inklusive der Verordnung, dass während Corona in bayerischen Wirthäusern bis zu 1000 Leute ohne irgendwelche Einschränkungen Fußballübertragungen gucken durften. Aber sobald im selben Saal jemand auf einer Bühne auftreten wollte, gab es Masken- und Abstandspflichten.
Weil so ein Virus ja die Fans von Bayern München verschont, Fans von Bayerns Kabarett aber nicht. Kann ich sehr gut verstehen. Nicht mal ein Virus will mit Fans von Bayern München etwas zu tun haben.

Und nachdem Markus Söder gnädigerweise die Kabarett- und Kulturveranstaltungen in Bayern wieder genehmigte, saß er dann beim Starkbieranstich auf‘m Nockherberg in der ersten Reihe, und erwartete, von Kabarettisten zum Derblecken gebracht zu werden. Zum Derblecken. Mit‘m nackten Arsch von der Bühne runter ins Gesicht sollte man ihm springen.

Klar, es muss Politikerinnen und Politiker geben. Kein Thema. Irgendjemand muss den Job machen. Aber ich muss meinen Job auch machen. Und stehe ich auf der Bühne, und die anwesenden Politiker lachen und klatschen, mache ich meinen Job nicht. 

Und wer aber meinte, die Anbiederung der deutschen Satire an die Regierung hätte in der Coronapandemie ihren Höhepunkt erfahren - Möhp - Falsch!
Mit Beginn des Ukrainekriegs ging das gleich nochmal eine Stufe weiter. Satire gegen Russland. Klar. Zu Recht. Satire gegen Russland. Ja natürlich. Aber was ist mit Satire gegen den Westen?

In all den Jahren zwischen Euromaden 2014 und russischer Invasion 2022 gab es so viele kritische Beiträge über die Verantwortung des Westens für die Lage in der Ukraine. ARD Panorama, Monitor, Report, ZDF-Frontal. Alles Berichte, die man sich heute noch auf Youtube angucken kann. Also wenn man sie zwischen all den kritischen und hochbrisanten Videos über Schminktipps, Kochrezepte und Katzenbabies überhaupt findet.

Aber bis zum Februar 2022 gab es regelmäßig kritische Beiträge über die Rolle des Westens in der Ukraine, über die Rolle der USA, der Nato, der EU, und der deutschen Außenpolitik. Es gab sogar kritische Berichte über die Rolle der Ukraine in der Ukraine. Inzwischen undenkbar.

Inzwischen ging es sogar so weit, dass eine Satirikerin, die zuvor die manipulativen und aufmerksamkeitsheischenden Methoden der AFD kritisierte, plötzlich exakt dieselben Methoden eines Ukraine-Botschafters Andrij Melnyk verteidigte. Ohne Ironie und doppelten Boden.
Die Methoden eines bekennenden Verehrers des Nazikollaborateurs und Antisemiten Stepan Bandera ernsthaft verteidigte. Wer auf dem St. Annen Friedhof in Berlin komische Geräusche hört, es ist das Heulen im Grab von Rudi Dutschke.

Und so gibt es ja auch im deutschen Fernsehen ein superkritisches Satireformat, die haben nach dem Euromadan in Kiew 2014 eine Sendung gemacht, und dabei sehr fundiert und differenziert ausgearbeitet, wie der Westen mitverantwortlich für die Situation in der Ukraine ist. In dieser Sendung hieß es sogar, die Ukraine habe eine (Zitat:) „Wunderbare Regierung, die dringend unterstützt werden muss bei der weiteren Bombardierung der Zivilbevölkerung im Osten des Landes.“

Diesen Satz gab es dann in der ersten Sendung nach der russischen Invasion 2022 plötzlich nicht mehr zu hören. Da hieß es dann stattdessen: „Oh! Wir haben falsch gelegen. Wir haben uns geirrt. Wir sind Putin auf den Leim gegangen.“
Und ich habe mir gedacht: Gleich entblößen sie noch ihren Rücken und holen die Geißeln raus. „Mea culpa. Mea culpa. Mea Maxima culpa”.

Aber anscheinend gibt es seit einiger Zeit, egal bei welchem Thema kein „Sowohl als Auch“ mehr, sondern nur noch „Entweder Oder“. „Schwarz oder Weiss“. „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“.

Dabei besteht die große Kleinkunst darin, sich nicht instrumentalisieren zu lassen und der Polarisierungssucht in der Gesellschaft nicht auf den Leim zu gehen. Sondern Satire so zu formulieren, dass sie einerseits nicht für Verschwörungsschwurbler anschlussfähig ist, nicht für Populisten, Antisemiten, Rassisten oder ähnliche Idioten. Aber andererseits eben auch nicht für eine wie auch immer geartete Regierungspolitik.

Und nur, wenn man das schafft, dann …. spielt man vor 60 - 70 Zuschauern. Ist zwar nicht ganz so toll, wie ein ausverkaufter Circus Krone, aber zumindest weiss man sich als APO-Künstler dann gemeinsam mit intelligenten Leuten in einem Raum, die einem zwar nicht so sehr das Konto füllen, aber beim morgendlichen Blick in den Spiegel den Gesichtsverlust ersparen.

Gerhard Collmann

Das war wieder mal ein typischer Butzko! Spricht mir bis zu 100% aus meinem Gefühl und meiner Logik. Ich kann nur sagen weitermachen, Weitermachen, weitermachen....!!!
Ich werde nichts im Text suchen, der kann so stehen bleiben.
Vielen Dank HG, ich freue mich schon auf den nächsten Besuch

Georg

Danke für den Beitrag. Ebenfalls gut der 1.Kommentar. Ich allen nur empfehlen Nicolo Machiavelli zu lesen. Es war so und wird immer so bleiben
Das Schlachtfest muss immer die Bevölkerung ausrichten. Entscheidend ist immer die Informationspolitik der Presse. Einfach jeden Tag nur die Schlagzeilen der deutschen Presse lesen, immer Internet kein Problem dauert ca. 15 Minuten, dann weiß jeder das Ergebnis der Meinungsumfragen. Ich bin froh, dass Nutzen nicht aufgibt. Danke für deinen Mut und die Ausdauer
LG Schorsch

Wolfgang

Da warst du, lieber HG, aber ordentlich gefrustet, als du diese Folge veröffentlicht hast. ;-))
In vielen Punkten bin ich inhaltlich voll bei dir, andere sehe ich etwas differenzierter. Es ist aber leider so, dass viele Zeitgenossen einfach nicht differenzieren können, wenn sie es denn überhaupt wollen. In der Masse stirbt es sich bekanntlich leichter...

Hinzu kommt, Klartext ist nicht jedermanns Sache. Diejenigen, die die Wahrheit aussprechen, sind oft nicht gerne gesehen. Manche, die die Wahrheit hören, tun so, als gehe es sie nichts an, richten sich aber sehr oft in den eigenen Handlungen danach und profitieren am meisten. Andere, die sich zufällig angesprochen fühlen, sind beleidigt und haben nicht die Größe über den Kollateralschaden hinwegzusehen und zu verzeihen.

So ist das in einer dekadenten und korrupten Gesellschaft, die den Zenit überschritten hat und sich mit zunehmender Rutschgeschwindigkeit auf def schiefen Ebene abwärts befindet. So war es schon im Altertum und nichts hat sich geändert.

Die Musik spielt was der Besteller aufgibt.
Und wenn sie nicht spielt was bestellt war, sind nur 60-70 Zuhörer im Saal..

Ich bleibe dir treu, HG und sage, weiter machen nicht unterkriegen lassen!
Denn , wenn auch die Kabarettisten nur noch Lügen verbreiten, wird es bald ganz dunkel werden.
Beste Grüße Wolfgang
.

Josefine

Lieber H.G. Butzko!

Ich komm jetzt einmal von einer anderen Seite mit Blick aufs Kabarett. Ganz simpel, mit dem Blick einer Frau.
Ich bin jetzt 65 Jahre Frau und ganz ehrlich, es hat sich wenig verändert. Das Ranking bleibt männlich und das bleibt nach wie vor immer noch unbemerkt.
Ich würde gern (fast) allen Männern empfehlen, sich mal nicht mehr so ernst zu nehmen, denn ihre Texte geben es einfach nicht her. Allgemeinplätze und Stänkern führt augenscheinlich zum Applaus, das wars dann auch an nebensächlicher Erkenntnis. Mal etwas anders könnte es schon sein.
Thorsten Sträter hat einen schön Anfang gemacht, denn im Leben spielt dass Leben eine große Rolle und wer darüber hinaus etwas zur großen Politik sagen möchte, sollte sich bitte vorher Kenntnisreich machen, denn es gibt keine Eindeutigkeit im Freund - und Feindbild.
Das Publikum mit noch mehr Spaltung zurück lassen, als es mitgebracht hat, führt nur weiter zu unsinnigen Spaltungen, die wir uns ehrlich nicht mehr leisten können.

Unterhaltsam aufzuklären, dass bringt zumindest Erkenntnisgewinn und wenn Mensch Glück hat bringt es Aussicht auf neue Handlungsmöglichkeiten, denn die große Frage bleibt ja ständig: Was können wir wirklich noch tun?

Regina

Tja lieber Butzko, war lange großer Fan. Vielfach auf Deinen Veranstaltungen, um Deine Geistesblitze und Scharfzüngigkeit zu bewundern. Gerne habe ich Dich immer unterstützt. Leider ist das nun vorbei. In Deinen Augen gehöre ich zu den vielen vielen Verschwörungsschwurblern und ....ähnlichen Idioten. Vielen Dank für diese netten Worte. Du bist leider auch nicht besser als viele deiner Kollegen. Einfach nicht mit den Leuten reden, aber reihum mal diffamieren. Und nebenbei, ich finde die Monika Gruber super, sie hat dort auf der Demo in Freising oder Erding, KEIN Satireprogramm gemacht, sondern eine Demo organisiert und ihre Meinung dort als Privatperson vertreten. Das ist doch ein feiner Unterschied, oder nicht? Und auch deine, wenn auch nur 'Halbsympathie' für einen Böhmermann, der nichts kann außer zu beleidigen, zersetzen und Hetzerei zu betreiben. Für mich ein echter Volksverhetzer. Und wo soll der bitte komisch sein bzw. ich finde einfach den Humor nicht.
Sorry, tut mir echt leid für das Genre der Satire und Kleinkunst. Ihr habt es schwer. Vorallem wenn nicht finanziell unabhängig, wie eine Lisa Fitz, eine Monika Gruber (vermutlich), eine Nena, auch eine Gloria von Turn und Taxis. Mutige, aufrechte, große Frauen mit Rückgrat. Nichtsdestotrotz wünsch ich Dir weiterhin den Erfolg, den es braucht um in diesem mittlerweile verkommenen Land zu existieren. "Nur die Mutigen entkommen"...Beste Grüße

Heidi und Josef Woschkowiak

Lieber HG,
einfach nur toll, dieser Artikel. Wir waren die ganze Zeit mit Kopfnicken und Kommentaren wie "genau", "ja" beschäftigt.

Weiter so! Gib nicht auf! Wir haben gleich mal die Stadthalle in Balingen angeschrieben, wann die Dich mal wieder einladen. Mal sehen, ob / wann eine Antwort kommt.

Liebe Grüße,
Josef und Heidi