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Erdbeben in Berlin (OKT 17)

im Sept. 2017

Liebe Freundinnen und Freunde des politischen Kabaretts.

So, dann will ich jetzt hier auch noch meine Gedanken zur Bundestagswahl 2017 los werden, damit hinterher keiner sagen kann: „Davon haben wir doch gar nichts mitbekommen“.

So gab es neben vielen Neuerungen, die dieses Wahlergebnis zustande gebracht hat, natürlich auch diesmal wieder die guten alten Lächerlichkeiten, an denen kaum noch etwas zu überbieten ist. Vor allem, wenn man jetzt von einem politischen Erdbeben spricht, so stellt sich doch die Frage: Ja, wo ist denn da die Überraschung? 

Hat man die warnenden Stimmen der Seismologen in den letzten Monaten und Jahren nicht gehört? Antwort: Natürlich nicht. Denn dann hätte man ja Vorkehrungen treffen können. Und seit wann haben wir es mir einer Kanzlerin zu tun, die sich überhaupt mal, geschweige denn rechtzeitig auf absehbare Komplikationen vorbereitet?

Was dann auch gleich die erste Lächerlichkeit ist, die an dieser Stelle erwähnt werden muss: Nämlich eine Angela Merkel, die seit 12 Jahren aufgrund eines visionären schwarzen Lochs etliche ihrer Entscheidungen mit einer so heißen Nadel stricken musste, die sie dann dem Bundestag sogleich intravenös verabreicht hatte, um die demokratische Lebendigkeit mit einem parlamentarischen Ausnahmezustand komatös zu sedieren.  - Was sie „alternativlos“ nannte, nannten Fachleute „keinen Kompass“.

Und eine solche Angela Merkel also, die zur Durchsetzung Ihrer Regierung auf die Verfassung und die Wege ihrer Organe stets gepfiffen hatte, wunderte sich, dass ihr das entsprechende Echo aus dem Walde während des Wahlkampfs auf den Marktplätzen der Republik zurück schallte. 

Womit wir sogleich bei der nächsten Lächerlichkeit wären, nämlich der deutschen Sozialdemokratie. Was für einen Hype hatte Martin Schulz durch seine Ernennung zum Kanzlerkandidaten ausgelöst. Nach rot-grüner Agenda 2010 und kritikbefreiter Pseudo-Opposition zu Merkels Europolitik, sehnte sich das Land geradezu nach einem Wechsel, nach Aufbruch und Erneuerung, und dann sprach auf dem Parteitag der SPD niemand geringerer als .... Gerhard Schröder. Tätää!

Im Motorsport nennt man sowas: „Beim Start abgewürgt“ Mit dem Unterschied, dass ein Rennfahrer dann vom Gerät absteigt, und seinen Fehler einsieht. 

Was das Absteigen betrifft, so hat man im Willy-Brandt-Haus durchaus eine astreine Arschbombe hingelegt, nur wer dort auf Einsicht wartet, möge viel Proviant mitnehmen.

Und spätestens, als Andrea Nahles nach ihrer Ernennung zur Fraktionsvorsitzenden davon sprach, dass es jetzt für die Regierung was „in die Fresse“ gebe, und damit sämtlichen aufrechten Demokraten die Argumentationsstrategie gegen die verbale Geistesgülle eines Alexander Gauland ad absurdum führte, spätestens da wusste man auch endlich wieder, was die Buchstaben SPD bedeuten, nämlich: Sehr Peinliche Deppen.

Womit wir bei der nächsten Lächerlichkeit wären, nämlich der Frage, warum grade im Osten so viele Leute AfD gewählt haben. Hallo? Jemand zu Hause?

Als die Mauer fiel, haben sehr viele ostdeutsche Arbeiterinnen und Arbeiter sich gefreut, mit ihren Betrieben endlich an einem fairen Wettbewerb teilnehmen zu können, wussten sie doch, dass ihre Produkte im Westen konkurrenzfähig sind. Und woher wussten sie das? Weil sie doch die ganze Zeit hinter Mauer und Stacheldraht für den Westen produziert haben. Was die Bangladeshis heute sind, das waren während das kalten Krieges die Ossis.

 

Und als die DDR vor dem Kapitalismus kapitulierte, war alles, was die Ossis wollten, eine faire Chance. Und dann kam der Kapitalismus, und sagte zu diesen Ossis. „Nö! Ihr nicht!“ Womit der Kapitalismus ihnen sofort mal zeigte, was er von Fairness und Chancengleichheit hält. Und das ist ein Zustand, der sich bis heute, 27 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht geändert hat.

Seit 27 Jahren warten etliche Ossis vergeblich darauf, integriert zu werden! Und dann sagt man diesen Leuten ins Gesicht, dass Flüchtlinge und Migranten kommen, die hier selbstverständlich eine faire Chance zur Integration bekommen sollen.

Nicht dass wir uns missverstehen: Das soll selbstverständlich keine Rechtfertigung sein, die Afd zu wählen. Und ich hoffe, Ihr könnt unterscheiden zwischen „Verstehen“ und „Verständnis“. Ich habe NULL Verständnis für Feindseligkeit, Menschenverachtung und Fremdenhass. Wer aber verstehen will, woher der Nährboden für diese rechtsextremen Einstellungen kommt, der soll einfach mal zwei Entwicklungen während der letzten 27 Jahre in Ost- und West-Deutschland vergleichen, nämlich die der Löhne und die der Renten.

Und dann soll man sich angucken, wie viele Parteien in 27 Jahren wie viele Gelegenheiten hatten, daran etwas zu ändern. Und wenn man diese Parteien dann alle nicht wählen will, wer bleibt dann noch übrig? Ja scheiße, gell?

Was die letzte Lächerlichkeit offenbart, nämlich die Hoffnung der Hoffnungslosen, dass ausgerechnet eine nationalistische oder völkische Politik an ihrem Elend irgendetwas ändern kann. Dazu lohnt sich ein Blick ins Geschichtsbuch: Wann immer es im Gebälk der Mächtigen knirschte, wurden die Ohnmächtigen unter dem Motto „Teile und Herrsche“ gegeneinander aufgehetzt. Und nichts anderes bewerkstelligt jetzt die Afd.

Dabei wäre im Satz „Teile und Herrsche“ sogar ein Lösungsansatz verborgen. Man müsste ihn nur anderes interpretieren. „Teilen“, nicht in der Bedeutung von „trennen“, sondern in der Bedeutung von „anderen etwas abgeben“. 

Aber zu erwarten, dass es zu einer Politik des Mit- statt des Gegeneinanders kommt, des aufeinander zu- statt aufeinander losgehens, das wäre natürlich nur mit einem einzigen Wort zu beschreiben, und dieses Wort lautet: Lächerlich!